Es war ein Nachmittag im Dezember. Ein Nachmittag wie jeder andere. Er war gerade zu ihr in ihre Studenten-WG gekommen, sie begrüßten sich und gingen in ihr kleines, aber gemütliches Zimmer. Der Fernseher war aus. Er setzte sich auf ihr Bett, sie saß auf dem Stuhl am Schreibtisch. Sie blickten sich nicht in die Augen. Niemand sagte ein Wort. So verging eine gefühlte Ewigkeit. „Also liebst du mich nicht mehr“, sagte er mit entmutigter Stimme, irgendwo zwischen alarmiert und hoffnungsvoll. Sie sagte nichts. Kein Wort. So saßen sie noch eine Weile. Dann stand er auf und ging.
Wenn du weißt, dass es eigentlich vorbei ist
Was danach kam, war die schlimmste Zeit in meinem Leben. Denn natürlich hört Liebe nicht von einem Tag auf den anderen auf, zu existieren. Doch irgendwann kommt der Moment, in dem man realisiert, dass sie nicht mehr stark genug ist für die Beziehung. Für eine Beziehung, auf die man sich sieben Jahre lang verlassen hat. In fast kindlichem und blindem Vertrauen. Ich hatte nie daran gezweifelt, dass unsere Pläne Wirklichkeit werden und wir unseren Weg in Zukunft gemeinsam gehen. Warum auch? Alles lief gut und kleinere Schwierigkeiten hatten wir immer gemeistert.
Doch dies war keine Schwierigkeit, nicht mal eine größere. Ich wusste einfach, dass es zu Ende ist. Ich hatte es schon seit Wochen gewusst und noch länger gespürt, hatte jedoch nichts gesagt oder unternommen. Zum einen wollte ich damit wohl mich selbst schützen, musste erst einmal mit dem Gedanken fertig werden. Vorrangig aber wollte ich ihn schützen, den Menschen den ich so sehr geliebt hatte und auf gewisse Weise ja immer noch liebte. Im Februar hatte er nämlich die wohl wichtigste Prüfung in seinem Leben, die ihm für seine Zukunft Tür und Tor öffnen würde. Ich wollte ihn davon nicht ablenken. Und weil ja nichts schief lief, weil wir uns trotzdem gut verstanden, ließ ich die Beziehung weiter laufen. Bis zu diesem Nachmittag im Dezember.
Ein bisschen Trennung?
Wer jetzt denkt, dass er das Haus verließ und damit auch mein Leben, der liegt weit daneben. Noch in der Nacht stand er völlig durchgefroren und betrunken wieder vor meiner Tür. Er schaffte es nicht, damit umzugehen. Ihm zog es sprichwörtlich den Boden unter den Füßen weg. Also war ich da, die nächsten Monate. Wir sahen uns weiterhin fast jeden Tag. Ich lernte mit ihm für seine Prüfung, wir sahen abends fern und manchmal übernachtete ich sogar bei ihm. Ich hatte wahnsinnige Schuldgefühle und wahnsinnige Angst um ihn. Denn auch, wenn man einen Menschen verlässt, wünscht man ihm trotzdem nur das Beste. So wie guten Freunden, nur noch ein bisschen mehr, immerhin hatte ich ihn einmal sehr geliebt. Dass diese Zeit für uns beide nicht einfach war, muss ich wohl niemandem erklären. Eine Trennung auf Raten sozusagen. Und wir wussten beide, dass mit dem Tag seiner Prüfung alles vorbei wäre.
Trauma nach Trennung?
Was mir bei der ganzen Sorge um ihn und den Schuldgefühlen komplett entging, war meine eigene Trauer um unsere Beziehung. Um all die schönen Momente, Träume und Hoffnungen. Denn während die Trauer desjenigen, der Verlassen wird, so völlig klar und akzeptiert ist, fühlte ich mich erst einmal so, als wäre ich ja „selbst schuld“. Und wie kann ich um etwas trauern, was ich selbst aufgegeben hatte? So erfuhr er Unterstützung und Verständnis von allen Seiten, nicht zuletzt von mir, während ich die Starke spielte und von anderen im besten Fall Unverständnis, im schlimmeren Fall sogar Anfeindungen entgegengebracht bekam. Aus meiner WG musste ich kurz danach ausziehen, weil meine Mitbewohnerin mit mir als Single nicht zurecht kam und über meine Entscheidung sehr enttäuscht war.
Es bleibt die innere Leere
Die Leere, die die Trennung in mir hinterlassen hatte, ließ ich gar nicht zu. Ich stürzte mich in Aktivitäten und Abenteuer. Ich machte Urlaube, ging fast jeden Abend aus, zog in eine Wohnung mit meinen besten Freundinnen. Alles in allem eine sehr schöne, spannende Zeit, in der ich mir eines allerdings nie erlaubte: Trauer. Ich war immer nur cool, stark, selbstbestimmt. Mit Männern hatte ich nicht viel am Hut, beziehungsweise nur oberflächlich. Wenn ich jemanden kennen lernte, sagte ich ihm gleich, dass ich nicht bereit für irgendetwas sei. Wenn der dann mehr wollte – und das passierte meistens nach ein paar Tagen – war ich weg und er verletzt oder wütend. Schon wieder. Ich bekam von mir selbst das Bild, dass ich nicht gut für Männer wäre, sie nur verletze. Also lieber gleich fernhalten oder nach ein paar Tagen schon ein Ende mit Schrecken.
Krank durch Trauma
In dieser Zeit wurde ich auch krank. Eine Histaminunverträglichkeit entwickelte sich bei mir. Den Zusammenhang habe ich damals natürlich nicht gesehen. Wie mich die Selbstvorwürfe und verdrängte Trauer innerlich auffraßen. Wie ich mir selbst keine Ruhe gönnte und keine Liebe. Erst nach vielen Monaten und nur mit professioneller Hilfe bin ich das erste Mal auf meine tiefe Trauer gestoßen. Auf mein Trauma nach Trennung. Denn nicht nur ihm hatte es den Boden unter den Füßen weggezogen. Auch ich hatte auf diese Beziehung gebaut. Mit all dem kindlichen Vertrauen einer 15-jährigen hatte ich mich darauf eingelassen und daran geglaubt, dass es die wahre Liebe gibt, dass alles gut wird. Hatte darauf vertraut, dass meine Gefühle verlässlich sind, auch über die Jahre hinweg. Wie sollte ich dieses Vertrauen jemals wieder aufbringen? Der Glaube an mich selbst war erstmal dahin. Und wenn ich mich auf mich selbst nicht verlassen kann, wie denn auf ander? Ich konnte mir nicht sicher sein, dass das, was ich heute fühle, auch morgen noch Gültigkeit haben würde. Auf dieser Basis konnte ich doch niemals wieder etwas Verbindliches eingehen.
Trauma nach Trennung aufarbeiten
Die Aufarbeitung dieses Traumas war ein sehr langer und harter Weg für mich. Im Endeffekt hat der Mann, mit dem ich heute verheiratet bin, mir maßgeblich dabei geholfen. Etwa 1,5 Jahre nach der Trennung lernte ich ihn kennen und hatte ziemlich schnell Schmetterlinge im Bauch. Er war der erste Mann, der mich wieder wirklich interessierte. Doch die Selbstzweifel und Ängste blieben, kamen sogar noch stärker zum Vorschein. Hier war jemand, mit dem ich zusammen sein wollte und er mit mir. Doch ich fühlte mich absolut nicht bereit dazu, hatte große Angst, dabei wieder so verletzt zu werden und jemand anderes wieder so sehr zu verletzen. Er sagte: „Das ist in Ordnung. Ich weiß, dass ich verletzt werden kann, wenn ich mich auf eine Beziehung einlasse. Das ist nicht deine Schuld, das kann mit jedem passieren.“ Also versuchte ich es. Als ich nach 3 Monaten für ein Jahr ins Ausland ging, wurde die Angst wieder stärker. Ich war mir sicher, dass es keinen Sinn hat, dass ich nie wieder eine richtige Beziehung führen würde. Ich beendete sie also lieber gleich.
Doch dann passierten zwei unglaubliche Dinge: Er hörte meine Worte, schwieg ein paar Tage und buchte dann ein Ticket zu mir. Er teilte mir mit, dass er mich nicht gehen lassen würde. Dass er wüsste, dass er mir gut tut und ich eigentlich nicht gehen will. Er hatte Recht. Und er wolle mich davor schützen, mich weiterhin selbst zu quälen. Auch damit hatte er Recht.
Gleichzeitig schickte mein großer Bruder, der von alldem gar nichts wusste, eine Buch-Trilogie zu: „The Four Agreements Toltec Wisdom Collection“ von Don Miguel Ruiz (dt. Die Vier Versprechen, Vollendung in Liebe, Die Innere Wahrheit). Ich weiß bis heute nicht, warum er das gemacht hat oder woher er wusste, dass ich genau das brauchte. Denn in den verbleibenden 3 Wochen, bis mein Partner- heute Ehemann – wieder bei mir wäre, beschäftigte ich mich wahnsinnig viel mit mir selbst, meinen Dämonen und Ängsten – und eben meinem Trauma nach der Trennung. Und ich las alle drei Bücher. Kapitel für Kapitel. Denn für mich steckte so viel Wahrheit, so viel aktuelle Antworten und Erkenntnis darin, dass ich jeden Tag nur ein Kapitel aufnehmen konnte. Das arbeitete dann in mir und ich hatte das Gefühl, dass etwas in mir heilt. Dass ich verzeihen, verarbeiten und nach vorne blicken kann. Freude aufbringen und Liebe zulassen. Sowohl die eigene, als auch die meines Partners.
Das neue Ich
Auch wenn damit nicht sofort alle Zweifel völlig ausgeräumt waren, sie wurden zumindest leiser und mit der Zeit immer seltener. Und verstummten irgendwann ganz. Ich weiß jetzt, dass ich nicht immer derselbe Mensch mit denselben Vorstellungen und Träumen bleiben werde. Ich verändere mich laufend, ich entwickle mich weiter und das ist gut so. Das macht unser Leben und auch unser Zusammenleben als Paar so schön. Auch er entwickelt sich weiter. Wir achten darauf, dass die Schnittmenge immer groß genug bleibt, um unsere Liebe nicht abzuwürgen. Im Wissen, dass keiner von uns ewig derselbe sein wird. Das ist mein neues Vertrauen. Ich vertraue darauf, dass nichts so bleiben wird, wie es ist. Dass mein Leben abwechslungsreich und selbstgestaltet sein wird und dass es gut so ist. Dass es so sein darf und soll.
Und er?
Mein Ex ist heute glücklich verheiratet und lebt unseren Traum von damals: ein eigenes Haus bauen und beruflich vorankommen. Die Kinder kommen bestimmt auch bald. Wir sprechen selten bis nie miteinander, aber haben uns letztendlich, einige Jahre später, ausgesöhnt und sind im Guten auseinander gegangen. Ich hoffe, er denkt genauso gerne an unsere gemeinsame Zeit zurück, wie ich. Denn darum geht es doch: diese schönen Erinnerungen werden nicht weniger schön, nur weil der Mensch nicht mehr an meiner Seite ist. Nur weil es nicht für immer war. Nichts ist für immer und das müssen wir uns zugestehen.
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Weiter so!
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